Gottesdienste und Predigten - - Erstellt von Pfarrer Matthias Hannig

Der Tod wird zu einer Tür

Ostern ändert alles! Wie aus einer am Boden liegenden Raupe durch wundersame Verwandlung ein am Himmel fliegender bunter Schmetterling wird, so macht Gott an Ostern eine unglaubliche Verwandlung — mit Jesus.

Wir hören noch einmal das Oster-Evangelium: Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot. Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat; und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.

Ostern ändert alles! Wie aus einer am Boden liegenden Raupe durch wundersame Verwandlung ein am Himmel fliegender bunter Schmetterling wird, so macht Gott an Ostern eine unglaubliche Verwandlung — mit Jesus, mit seinen Freundinnen und Freunden und wenn wir wollen – sogar auch mit uns.

Ostern ändert alles: Aus Karfreitagsschreck wird Osterlachen, aus Todesangst wird Lebenslust, aus Grabgesang wird Siegeshymne. Die Sackgasse entpuppt sich als Durchgangsstation, das Grab wird zur Dunkelkammer, in der sich aus den negativen ganz neue Bilder vom Leben entwickeln.

Zwei einzelne Verse aus dem Matthäus-Osterbericht erzählen ganz besonders davon. Sie sind nur eine Momentaufnahme, aber sie fließen über an Bedeutung und Aussagekraft. Sie sagen: Ostern ändert alles.

Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen ... Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen.

Geht dir das auch so: Wenn ich auf dem Friedhof bin, werde ich immer wieder an diese beiden Verse erinnert. Ja, ich erlebe sie beinahe nach und wiederhole sie noch einmal in Gedanken. Es fängt schon damit an, dass ich mit einer Trauerfamilie und mit einem Sarg oder einer Urne von der Friedhofshalle zum Grab ziehe, mal mit wenigen mal mit vielen Trauergästen hinterher.

 

Ja, das kenne ich. Und immer suche ich das richtige Tempo. Und immer gehen wir langsam. Nie eilig, selbst wenn es regnet oder stürmt. Mir ist klar: Auf dem Friedhof rennt man nicht! Darin sind sich alle ohne Absprache einig: Der Weg zum Grab ist ein langsamer, ein bedächtiger, ja ein schwerfälliger Weg. Das fällt nun mal schwer!

Ja, zum Grab geht man nicht, wie man eben mal noch schnell auf die Post muss oder um die Ecke Brötchen holt. Die Trauer macht die Beine schwer, der Abschied geht langsam vor sich, fortschreitend, unwillig fast, widerwillig, schrittweise dem Grab und dem endgültigen Abschied entgegen. Denn dann am Grab angekommen, ist kein Umweg mehr möglich, kein Ausweg mehr zu sehen, unumgänglich die Trennung.

Wenn ich dann aber vom Grab wieder weggehe, meinen Weg allein zurückgehe, dann komme ich an vielen Kreuzen vorbei. Sie sind immer noch in viele Grabsteine eingemeißelt. Und immer dann fallen mir diese Frauen vom Ostermorgen ein.

Ja, zurück geht es sich jetzt  ziemlich schnell. Nicht nur weil wir es eilig haben, sondern weil es uns ganz unwillkürlich zurückzieht ins Leben, weg vom Tod, weg vom Grab. Und wenn wir die vielen Kreuze sehen, sind plötzlich die Frauen aus der Ostergeschichte ganz gegenwärtig; da hast du recht.

Tatsächlich: Es ist die einzige Geschichte, die wir kennen, in der jemand auf dem Friedhof rennt. Zuerst sind sie im Trauermarsch angekommen. Sie wollen den letzten Schritt des Loslassens und der Trennung bewusst gehen. Und sie wollen ihrem Herrn die letzte Ehre erweisen, zumindest seinem Leichnam, dem was von Jesus noch übrig geblieben ist.

Und dann kommt die große Verwandlung, die den am Boden Kriechenden regelrecht Flügel wachsen lässt. Sie werden wie Schmetterlinge zu Boten eines neuen Frühlings.

Sie schwärmen aus und rennen zurück ins lachende Leben, mit der unglaublichen Botschaft auf den Lippen und in den Herzen, dass Gott die große Verwandlung gelungen ist.

Natürlich ist das nicht einfach, nicht mal eben so gemacht. Diese Nachricht ist ja nicht zu fassen, sie ist mehr als irgendjemand zu begreifen vermag.

Kein Wunder also, dass sie nicht nur leicht wie Schmetterlinge davon tänzeln, sondern dass sie auch Schmetterlinge im Bauch haben. Die Mischung macht's, das Hin- und Hergerissensein der Frauen: es heißt da: Furcht und große Freude! Das ist der Stoff, aus dem die Osterträume sind: Der Himmel nimmt uns die Angst und wir spüren die unglaubliche Tragweite der Auferstehung Jesu.

Entscheidend aber ist der neue Bewegungsablauf: Aus dem Trauermarsch wird ein Siegeszug, wir schleichen nicht mehr nur dem Tod hinterher, sind nicht nur die geschlagenen Hinterbliebenen.

Wir verharren nicht in unendlicher Totenstille, wir haben nicht nur das Nachsehen! Ostern ändert alles und macht uns Beine und Hoffnung, schickt uns zurück und lässt uns das Leben neu angehen. Wir laufen in einem neuen Sinne um unser Leben. Diesmal nicht von Angst verfolgt, sondern in der Nachfolge. Wir laufen dem nach, der die Angst überwunden hat.

Wir werden immer wieder auf den Friedhof müssen. Der langsame, schweigsam bedrückende Abschiedsweg wird uns trotz Ostern nicht erspart bleiben. Immer wieder werden wir uns an Gräbern versammeln und den schweren Gang üben.

Aber wir sollen wissen, dass der Weg ans Grab keine Einbahnstraße, keine Sackgasse mehr ist. Mit Furcht und mit großer Freude sollen und dürfen wir bei jedem Weg vom Friedhof zurück daran denken, dass die Frauen damals nicht ohne Grund so gerannt sind. Sie mussten die Nachricht in Umlauf bringen, dass Gottes Pläne mit uns nicht am Grab enden. Gottes Vorhaben mit uns erweist sich als Verwandlung hinüber in die Ewigkeit.

Wie hieß es am Karfreitag schon: Der Tod ist kein Loch, er wird zu einer Tür. Ostern ändert unsere Gangart und hoffentlich auch unseren Umgang miteinander. Ostern bricht unsere engen Grenzen auf und weitet unsere kurze Sicht. Laufen lernen, nicht weg, nicht auf und davon, sondern drauflos und draufzu - der Ostermarsch hat begonnen ... Kommst du mit mir?

Sehr gern, weniger mit Furcht, aber mit sehr viel Freude. Und ich bin sicher, wir werden dabei Schmetterlingserfahrungen sammeln und Blütenträume entdecken - laufend!

Amen.

Die Predigt wird abschnittsweise von zwei Personen gelesen.