Religion / Glaube / GesundheitHeilung durch den Glauben

Die Erzählungen von den Heilungen Jesu nehmen in den Evangelien einen breiten Raum ein. Zu vielen Menschen, die er heilte, sagte Jesus: „Dein Glaube hat dich gesund gemacht“ oder anders übersetzt: „Dein Glaube hat dir geholfen, hat dich geheilt, hat dich gerettet“ (z.B. Markus 5,34).

Wird hier eine direkte Beziehung zwischen Glaube und Gesundheit hergestellt? Können wir also damit rechnen, von körperlichen oder seelischen Krankheiten geheilt zu werden, wenn wir unser Leben Gott anvertrauen und um Heilung beten?

Zwei Beobachtungen helfen, diese Frage zu beantworten

Erstens dürfen wir Heilungen von Jesu nicht missverstehen im Sinne einer Verabsolutierung des körperlichen/seelischen Wohlbefindens. Die Heilungen Jesu müssen im Zusammenhang mit seiner Reich-Gottes-Botschaft gesehen werden. Jesus verkündete den Anbruch des Reich Gottes, auf das die Menschen seiner Zeit sehnlich warteten. Dieses Reich Gottes ist verwirklicht, wenn Menschen in guten Beziehungen leben: Miteinander, mit Gott, mit sich und mit der Schöpfung. Wenn dieses Reich des Friedens und der Gerechtigkeit im Umfeld Jesu Wirklichkeit wurde, kam es zu großartigen Ereignissen und viele, aber nicht alle Menschen, wurden geheilt. In den Heilungen Jesu wurde das Reich Gottes "handgreiflich", aber es beschränkte sich keineswegs darauf. So wichtig und wertvoll das körperlich/seelische Wohlbefinden ist – bei Jesus ging es um viel mehr als "Wellness". Sein Handeln zielte auf "Wholeness" im Sinne des biblischen Schalom, nämlich das Heil-Werden des Menschen in allen seinen Beziehungen. Das bedeutet: Wenn Menschen mit körperlichen Gebrechen in Frieden leben mit sich, mit Gott und den Mitmenschen, dann sind sie in einem wesentlichen Sinne heil, ja "gesund". Der Arzt und Theologe Dietrich Rössler formuliert dies so:

„Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen, sondern die Kraft mit ihnen zu leben.“

Zweitens waren die Heilungen Jesu immer ein Beziehungsgeschehen. Jesus ist jeder und jedem auf Augenhöhe begegnet und hat alle angenommen, auch und gerade in ihrer Leiblichkeit. In einer Atmosphäre der liebenden Annahme und Wertschätzung wurden Menschen verwandelt, aufgerichtet und geheilt. Manche wurden körperlich geheilt, aber nicht alle - alle jedoch spürten, dass von Jesus eine Kraft ausging.

Aus diesen Beobachtungen folgt: Heilung bedeutet im biblisch-christlichen Verständnis mehr als körperliches bzw. seelisches Gesundwerden. Es gibt keine direkte, "automatische" Beziehung zwischen unserem Glauben und der Heilung von körperlichen und seelischen Krankheiten. Der Glaube kann nicht für konkrete Heilungen instrumentalisiert werden. Und doch: Gott ist uns in der Krankheit nahe und der Glaube und das Gebet haben eine heilende Kraft, die unser Leben verändern kann.

Folgende Zusagen des christlichen Glaubens können heilend wirken

  • Gott ist dir nahe, gerade und besonders, wenn es dir nicht gut geht. Die Nähe Gottes in Krankheit stärkt, tröstet, bewahrt vor Verzweiflung und kann das Leiden lindern oder heilen. Aber es muss offenbleiben, in welcher Weise Gott in unserer Krankheit wirkt.
  • Dein Leben ist von Gott bejaht und sinnvoll. Der Glaube hilft, Vorletztes und Letztes zu unterscheiden. Er will davor bewahren, ein Leben ohne volle Gesundheit und mit nur eingeschränkter Leistungsfähigkeit als sinnlos anzusehen.
  • Du bist von Gott unbedingt geliebt. Gottes Liebe muss nicht "verdient" werden, sondern geht jeder eigenen Leistung voraus. Diese Zusage wirkt befreiend für Menschen, die in ihrem Leben immer wieder erfahren haben, nicht geliebt zu werden.
  • Gott vergibt dir deine Schuld. Diese Zusage kann heilsam sein, zum Beispiel für Menschen mit seelischen Erkrankungen, wenn Schuldgefühle nach Fehlhandlungen oder auch unbegründete Gefühle der Schuld die Krankheit verstärken. Die Erfahrung der Vergebung ist mitunter ein erster Schritt zur Versöhnung mit sich selbst und mit anderen Menschen.

Diese Zusagen können im Gebet, in Gottesdiensten, durch Rituale (wie etwa die persönliche Segnung), Meditation, Bibellektüre und im seelsorgerlichen Gespräch erfahren werden. Sie können Menschen stärken, verändern und im aufgezeigten, mehrfachen Sinne heilen.

Text:
Dr. Beate Jakob, Tübingen 

Weiterführende Literatur
Jakob, B. / Laepple, U. (2014), Gesundheit, Heilung und Spiritualität. Heilende Dienste in Kirche, Diakonie und weltweiter Ökumene. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener
Klein, C., H. Berth, H., F. Balck, F. (Hrsg., 2011) Gesundheit - Religion - Spiritualität. Konzepte, Befunde und Erklärungsansätze. München: Juventa
Utsch, M. (2016): Ressourcen der Religion und Spiritualität. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis. 48(4). S. 863–873.
Utsch, M. (2018): Die Wellness-Bewegung als Gesundheitskult. In: Brähler E, Hoefert HW, Klotter C (Hrsg.) Wandel der Gesundheits- und Krankheitsvorstellungen. Lengerich: Pabst. S. 138-144.